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REDOWSKY , Iwan Iwanowitsch (Johann Franz) (1775–1807), Botaniker, Arzt, Reisender, Doktor der Medizin

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

REDOWSKY, Iwan Iwanowitsch (Johann Franz) [1. Januar 1774, Memel (Klaipeda/Litauen) – 8. Februar 1807, Gishiginsk/Gebiet Magadan], Botaniker, Arzt, Reisender, Doktor der Medizin, Adjunkt der Petersburger Akademie der Wissenschaften für Botanik (ab 27. März 1805); Mitglied wissenschaftlicher Gesellschaften: der Naturforschenden Gesellschaft zu Jena (1802), der Freien Wirtschaftsgesellschaft (18. März 1805), der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft (1805) und der Moskauer Gesellschaft der Naturforscher (1806).

Aus Ostpreußen stammend. Sohn eines Kaufmanns; der Vater ein Deutscher, die  Mutter eine Russin. Der Vater war von Riga nach Memel aufgrund geschäftlicher Angelegenheiten übergesiedelt. Wurde orthodox getauft, entsprechend einem Wunsch der Mutter Iwan genannt. Die Grundschulausbildung erhielt er in Memel. In der Königsberger und der Leipziger Universität studierte er Medizin und Botanik. Nach der Verteidigung der Dissertation für den Titel eines Doktors der Medizin ging er nach Riga, wo er Privatunterricht gab. Beherrschte mehrere Sprachen, neben der deutschen Sprache – Latein, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Filipp Filippowitsch Vigel schrieb in seinen Memoiren, dass Redowsky ein „preußischer Pole“ gewesen sei und „nichts weder auf Polnisch, noch auf Russisch wusste“. Grigorij Iwanowitsch Spasskij schrieb über die Sprachkenntnisse Redowskys, dass dieser „auch des Russischen hinlänglich mächtig war“. Er spielte Geige, Flöte und Klavier. 

Anfang 1799 ließ er sich in Moskau nieder. Professor Christian Friedrich Stephan, Direktor des Botanischen Gartens von Gorenki bei Moskau, machte ihn mit Graf Alexej Kirillowitsch Rasumowskij, dem Besitzer des Gartens, bekannt. 1803 begann Redowsky auf Einladung des Grafen, in Gorenki als Gehilfe des Gartendirektors zu arbeiten, und nach dem Umzug des Professors nach Petersburg wurde er Direktor. Er führte einen umfangreichen Schriftwechsel mit führenden Botanikern und botanischen Gärten Europas, erhielt neue Bücher und Samen für den Garten und sammelte und systematisierte ein Herbarium. 1803 gab er einen ersten Katalog der Gewächse des Gartens von Gorenki heraus, der 2846 Arten umfasste. 1804 – einen zweiten Katalog (rund 3500 Arten). 1803 schlug er die Einladung aus, an einer Weltumsegelung von Iwan Fjodorowitsch (Adam Johann Baron von) Krusenstern und Jurij Fjodorowitsch Lissjanskij teilzunehmen.

Am 20. März 1805 wurde er bei einer Tagung der Akademie der Wissenschaften als Botaniker in eine akademische Gruppe aufgenommen, die der russischen Gesandtschaft des Grafen Jurij Alexandrowitsch Golowkin in China zugeordnet worden war. Die Gruppe leitete Akademiemitglied Fjodor Fjodorowitsch Schubert. Neben Redowsky gehörten der Zoologe Michail Iwanowitsch (Johannes Michael Friedrich) Adams und Julius Heinrich Klaproth zu ihr. Der Gesandtschaft hatte sich Redowsky in Moskau am 1. Juni 1805 angeschlossen. Auf der Reiseroute aus Moskau nach Irkutsk über Kasan, Jekaterinburg und Krasnojarsk führte er botanische Beobachtungen durch, sammelte Kollektionen von Gewächsen, Samen und Wurzeln für die Akademie der Wissenschaften. Vorgesehen war auch eine Expedition nach Kamtschatka, was eine durch das Akademiemitglied Alexander Fjodorowitsch Sewastjanow für Redowsky ausgearbeitete Anleitung zur Zoologie Kamtschatkas belegt.

Von Irkutsk aus untersuchte Redowsky zusammen mit Adams im Spätsommer und Anfang September 1805 die Uferregion des Baikals. Während der Reise sammelte er die Samen mehrerer seltener Gewächse für den Garten von Gorenki. Die Gesandtschaft wurde nicht nach Peking gelassen und kam nur bis nach Urga (russische Bezeichnung der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator bis 1925), wo sie am 2. Januar 1806 eintrafen. Redowsky, der einzige aus der akademischen Gruppe, war auf dem Weg nach Urga. Nach der Rückkehr nach Irkutsk unternahm er eine neue Reise – nach Kamtschatka und auf die Kurilen, die für drei Jahre lang geplant worden war. Die Expeditionsvorbereitung erfolgte im April–Mai. In Empfang genommen wurden Geld, wissenschaftliche Geräte, Ausrüstungsgegenstände und Bekleidung, Pulver, Medikamente sowie unterschiedliche Waren für Tauschzwecke und als Geschenke für die einheimische Bevölkerung. Mit der Ausrüstung der Expedition hatte sich der Botschafter Graf Golowkin persönlich befasst. Am 20. Mai 1806 verließ Redowsky Irkutsk. Als Hilfe hatte man ihm den Landmesser Iwan Koschewin mitgegeben. Auf Weg zur Halbinsel untersuchte der Wissenschaftler das Aldan-Gebirge und die Küste des Ochotskischen Meeres, besuchte Udskij Ostrog und Ochotsk (trafen dort am 9. September ein) und trug eine Sammlung von Pflanzen, Mineralen, vulkanischem Gestein und Fischen zusammen. Anfang 1807 traf er in Gischiginsk ein. Zur Fortsetzung der Reise war ein Teil der Expeditionsausrüstungen und Sammlungen auf dem Wasserweg nach Kamtschatka abgeschickt worden. Redowsky selbst plante, auf dem Landweg zum Reiseziel zu gelangen. Vorgesehen war, Nordostsibirien, Kamtschatka sowie die Schantar-Inseln, die Aleuten und die Kurilen, Sachalin sowie die Ostseite des Jablonowygebirge zu untersuchen. Zum Endpunkt sollte Udskij Ostrog werden, von wo aus der Rückweg über Jakutsk verlief.

Am 8. Februar 1807 verstarb Redowsky aus unerklärlichen Gründen. Laut einer der Versionen habe er sich an Quecksilberchlorid vergiftet, gemäß einer anderen sei er beim Queren des Flusses Ulja ertrunken. Grigorij Iwanowitsch (Georg Heinrich von) Langsdorff, ein Teilnehmer der Expedition von I. F. Krusenstern, der Redowsky auf Kamtschatka erwartet hatte, äußerte die Version eines Selbstmordes. Am 1. August 1807, erst nach dem Eintreffen in Irkutsk, informierte er die Akademie der Wissenschaften über den Tod von Redowsky. Der Wissenschaftler wurde am rechten Ufer des Flusses Gisсhiga in einer Befestigung nahe einer Holzkirche beigesetzt. Das Grab ist im Zusammenhang mit einem Wegbrechen des Ufers 1849 verloren gegangen.  

Die Frage hinsichtlich des persönlichen und Expeditionseigentums von Redowsky wurde bis 1833 geklärt. Einzige Erbin war die Schwester Anna Florentina (verheiratet mit dem Zugschaffner F. Bernis), die 1811 in Memel lebte, später in Berlin. Vor der Abreise nach Sibirien hatte Redowsky ein Testament auf ihren Namen zurückgelassen. Ihre Interessen im Streitfall mit der Akademie der Wissenschaften vertrat Redowskys Freund, das korrespondierende Akademiemitglied Fjodor Pawlowitsch (Friedrich von) Adelung. In die Untersuchungen hatten sich offizielle Vertreter Preußens (der preußische Minister Baron Schladen und Preußens Botschafter Schoeller) eingeschaltet. Die Erbin erhielt 20.000 Rubel.

Die vielfältigen Sammlungen von Redowsky trafen bis 1813 aus Irkutsk ein. 1811 kamen Bücher aus Irkutsk, die nach dem Tode Redowskys zurückgeblieben waren, in die Bibliothek der Akademie der Wissenschaft zurück. Einen Teil der Bücher, die auf Kamtschatka zurückgeblieben waren, nahm Adelbert von Chamisso auf die Brigg „Rurik“ unter der Bedingung, dass sie an die Bibliothek der Akademie der Wissenschaft zurückgegeben werden. Unter ihnen waren 80 Bände der „Histoire naturelle“ von Georges-Louis Leclerc de Buffon. Die Mineralien wurden Akademiemitglied Wassilij Michailowitsch Sewergin (Basile Severguine) zwecks Aufnahme in einen Katalog übergeben. Ein Teil der botanischen Sammlungen, die nach Petersburg abgeschickt worden waren, verdarb unterwegs, ein anderer Teil des Herbariums ist vereinzelt erhalten geblieben.

Die vollständigste und bekannteste Kollektion sibirischer Pflanzen von Redowsky wird im Botanischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften als Bestandteil der Sammlung des deutschen Forschers A. von Chamisso aufbewahrt. Während seiner Weltumsegelung auf der „Rurik“ mit Otto von Kotzebue hatte Chamisso die Sammlungen von Redowsky gekauft, die auf Kamtschatka zurückgeblieben waren. Danach befand sich das Herbarium in Deutschland. 1841, nach dem Ableben von Chamisso, wurde es durch die Petersburger Akademie der Wissenschaften erworben. Mit dem Herbarium von Redowsky haben Wissenschaftler Russlands und Deutschlands gearbeitet: Alexander Adolph Lehmann, Karl Iwanowitsch Maximowitsch, Karl Antonowitsch (Karl Bernhard) Trinius, Fjodor Bogdanowitsch (Ferdinand) Fischer, Adelbert von Chamisso u. a. 1805 benannte Carl Friedrich von Ledebour zu Ehren von Redowsky die neue Pflanzenart Artemisia redowskyii Ledeb. Insgesamt sind ihm zu Ehren 15 neue Arten aus verschiedenen Pflanzenfamilien benannt worden, und eine neue Spezie aus der Familie der Kreuzblütler trägt auch seinen Namen: Redowskia Ch. et Schl.

Handschriftliches Erbe. Das Reisetagebuch von Redowsky kam 1809 in die Akademie der Wissenschaften. Im Redowsky-Fundus werden neben anderen Dokumenten das „Mathematische Reisejournal mit Anmerkungen, 1806 zusammengestellt während einer aus Irkutsk zur Stadt Jakutsk und von da aus weiter unternommenen Reise … während einer Expedition unter der Leitung von Prof. I. I. Redowsky durch den Landmesser der astronomischen Wissenschaften, Mathematiker und Gouvernementsregistrator Iwan Kosсhewin“ und Redowskys  „Tagebuch einer in den Jahren 1805 und 1806 von Kiachta nach Urga und von Jakutsk nach Ischiginsk untergenommene Reise“ (am 3. Mai 1809 durch F. Adelung an die Akademie der Wissenschaften übergeben) aufbewahrt. Am 29. November 1809 unterbreitete das Akademiemitglied Nikolaj Jakowljewitsch Oserezkowskij den Vorschlag, das Tagebuch von Redowsky zu veröffentlichen (ist bis heute nicht veröffentlicht worden).

Literatur

Andreev, A. I. Izučenie Jakutii v pervoy polovine XIX v. (Die Erforschung Jakutiens in der ersten Hälfte des 19. Jh.) // Wissenschaftliche Aufzeichnungen des Instituts für Sprache, Literatur und Geschichte der Jakutischen Filiale der Sibirischen Abteilung der AdW der UdSSR. – Ausg. 5. – Jakutsk, 1958. – S. 53; Borodin, I. P. Kollektory i kollekcii po flory Sibiri (Sammler und Sammlungen zur Flora Sibiriens). Sankt Petersburg, 1908. S. 101, 139, 184, 185; Materialien zur Geschichte der Expeditionen der Akademie der Wissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert: Chronologische Übersichten und Beschreibung der Archivmaterialien / Zusammengestellt durch V. F. Gnučeva / Arbeiten des Archivs der AdW der UdSSR. Ausg. 4. M.–L., 1940. S. 157–159; Nekrasova, V. L. Gorenskiy botaničeskiy sad (Der botanische Garten von Gorenki) // Trudy IIET. Bd. 3. M.–L., 1949. S. 330–350; RBS. Band „Pritviz – Reys“. Sankt Petersburg, 1910. S. 533–534; Spasskiy, G. Vospominanija o botanike I. I. Redovskom (Erinnerungen an den Botaniker I. I. Redowsky) // Vaterländische Aufzeichnungen. 1852, Oktober. Abt. VIII. S. 144–152; Čerkaz’janova, I. V. Ob „imenii“ ekspedizii ad’’junkta Peterburgskoy Akademii nauk I. I. Redovskogo (Über das Expeditionsvorhaben des Adjunkten der Petersburger Akademie der Wissenschaften I. I. Redowsky) // Nauka i technika: Voprosy istorii i teorii. Thesen zur 23. Konferenz der Sankt Petersburger Abteilung des Russischen Nationalkomitees für Geschichte und Philosophie der Wissenschaft und Technik (26.–28. Nov. 2002). Ausg. 18. – Sankt Petersburg, 2002. – S. 30–32; Čerkaz’janova, I. V. I. I. Redovskiy: sud’ba učenogo, sud’ba naučnogo nasledija (I. I. Redowsky: Das Schicksal eines Wissenschaftlers, das Schicksal wissenschaftlichen Erbes) // Russisch-deutsche Verbindungen in der Biologie und Medizin. Ausg. IV. – Sankt Petersburg, 2003. – S. 106–117; Černikov, A. M. Ekspedicija I. I. Redovskogo v Jakutiju i k Ochotskomu morju )1806–1807 gg.) (Die Expedition von I. I. Redowsky nach Jakutien und zum Ochotskischen Meer (1806–1807)) // Geografische Gesellschaft der UdSSR. Materialien der Abteilung für Geschichte der geografischen Erkenntnisse. Ausg. 1. Geografische Erforschung Sibiriens des 17.–19. Jh. – L., 1962. – S. 7–39; Černikov, A. M., Pidotti, O. A. Putešestvie botanika I. I. Redovskogo v 1806–1807 gg. V Jakutiju i k Ochotskomu morju. (K 200-letiju sodnja roždenija) (Die Reise des Botanikers I. I. Redowsky in den Jahren 1806–1807 nach Jakutien und zum Ochotskischen Meer. (Zum 200. Geburtstag)) // Botaničeskij žurnal. – L., 1974. – Bd. 59, № 3. – S. 451; Černikov, A. M., Syrovatskij, A. D. Ekspedicija I. I. Redovskogo v Jakutiju i k Ochotskomu morju (Die Expedition von I. I. Redowsky nach Jakutien und zum Ochotskischen Meer) // Sammlung wissenschaftlicher Artikel des Jakutischen Republiksheimatkundemuseums. – Ausg. 4. – Jakutsk, 1966. – S. 172–190; Širina, D. A. Akademičeskaja ekspedicija 1806–1807 gg. po Jakutii i Ochotskomu poberež’ju (Die akademische Expedition in den Jahren 1806–1807 durch Jakutien und an der Küste des Ochotskischen Meeres) // Entwicklung der geisteswissenschaftlichen Forschungsarbeiten in Jakutien. – Nowosibirsk: Nauka, 1981. – S. 42–56.

 

Archive

Sankt Petersburger Filiale des Archivs der Russischen Akademie der Wissenschaften. F. 37 (I. I. Redovskiy). 18 Bestandseinheiten (1786–1806).

Russisches staatliches historisches Archiv. F. 733. Op. 12. D. 17. (1805); D. 47 (1811); D. 119 (1815); D. 452 (1833).

Autoren: Tscherkasjanowa I. W.

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