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WREECH Kurt Friedrich von, Hauptmann der schwedischen Armee, Pädagoge und Pietist

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

WREECH, Kurt Friedrich von, Hauptmann der schwedischen Armee, Pädagoge und Pietist.

Sohn eines aus Stargard stammenden deutschen Generals. Nahm als Hauptmann des schwedischen Albedyll-Dragonerregiments während des Nordischen Kriegs von 1700–21 an den Kriegshandlungen gegen Russland teil und geriet 1709 bei Poltawa in Gefangenschaft. Nahm als Kriegsgefangener an dem von Peter I. organisierten Triumphzug durch Moskau teil. Wurde im Februar 1710 zunächst nach Wjatka und im Frühjahr 1711 nach Sibirien verbannt. Im August 1711 kam er nach Tobolsk.

Während seiner Gefangenschaft wurde Wreech in Moskau mit der Lehre der Pietisten und deren Anhängern bekannt und schloss sich diesen an. Auf dem Weg nach Sibirien predigte er, da es keinen Pastor gab, seinen Gefährten die Ideen des Pietismus. Er stand in Korrespondenz mit dem Professor der Universität Halle und Mitbegründer des Pietismus A.H. Francke. In Tobolsk gründete er eine deutsche Schule, deren Unterricht auf den Prinzipien des Pietismus und dem im Jahr 1700 entworfenen Erziehungs- und Bildungskonzept Franckes aufbaute. In der Schule hielt Wreech dreimal pro Woche deutschsprachige Gottesdienste.

Im September 1712 nahm Wreech die Arbeit mit seinem ersten Tobolsker Schüler auf. Im Frühjahr 1712 hatte die Schule bereits drei Schüler und zwei Lehrer, Ende 1721 23 Schüler sowie 20 Erzieher und Lehrer. Unter den ersten Lehrern waren Kornett Pauli, der Regimentsquartiermeister Johann Christoph von Ruden und Johann Haberman. Die Schule verfügte über sechs Gebäude, einen Garten, einen Pferdestall, ein Internat, einen Esssaal und ein Krankenhaus. 1714 arbeitete Wreech nach dem Vorbild der Franckschen Schule die Schulsatzung und das Unterrichtsprogramm aus, dessen Hauptinhalte die Erziehung zur Frömmigkeit mit Hilfe des Katechismus, das Bibelstudium, das Auswendiglernen von Gebeten und Kirchenliedern sowie die Führung erbaulicher Gespräche in der unterrichtsfreien Zeit waren. Die Schüler der 5. Klasse wurden in Geometrie, Geographie, Latein, Französisch und Zeichenkunst unterrichtet. Am 11. Oktober 1714 fand das erste Schulexamen statt. Die Aufnahme und Unterbringung der Schüler erfolgte unabhängig von der materiellen Lage der Eltern. Die Kinder wurden aus Werchoturje, Solikamsk und Jepantschino gebracht. Unter den Schülern waren vor allem Kinder kriegsgefangener deutscher Offiziere, Einwohner von Tobolsk sowie Schweden und einige Russen, Ewenken und Mongolen. Finanziert wurde die Schule durch Spenden (Geld, Bücher, Medikamente) in Moskau oder Deutschland lebender Deutscher. 1714–18 gingen für die Bedürfnisse der Kriegsgefangenen neben Büchern und Medikamenten 2.196 Rubel und 79 Kopeken ein. Dank seines hohen Ansehens konnte Wreech auch für Tomsk und andere Städte wohltätige Hilfe organisieren. Darüber hinaus wurde die Schule zu einem gewissen Teil auch von den örtlichen Einwohnern unterstützt. Für einen Teil der Kinder war der Unterricht kostenpflichtig. Nach der Schließung der Schule wurden die Schulgebäude vom Gouverneur angekauft, um dort ein Garnisonslazarett einzurichten.

In den Jahren 1718-20 veröffentlichte ein anonym bzw. unter Pseudonym schreibender Autor in Deutschland einen Bericht über die Schule sowie die Korrespondenz der Gefangenen. Wreech selbst verfasste ein Buch über die Tobolsker Schule und die Ankunft der Kriegsgefangenen in Sibirien, dessen an die schwedische Königsfamilie adressierte Widmung auf den 8. Dezember 1724 datiert ist (1. Ausgabe 1725, 2. Ausgabe 1728, Deutschland). Nach der Unterzeichnung des Friedens von Nystad (1721), durch den der Nordische Krieg von 1700–1721 beendet wurde, endete der Unterricht in der Schule. Im Januar 1722 verließ Wreech als einer der letzten Kriegsgefangenen Tobolsk und kehrte im September 1722 nach Deutschland zurück. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft arbeitete er als Erzieher des Sohnes des Grafen Promnitz zu Sorau.

Wreech war verheiratet und hatte einen Sohn. Während seiner Abwesenheit lebte seine Familie bei Verwandten in der Niederlausitz.

Veröffentlichungen

Wahrhafte und umständliche Historie von denen Schwedischen Gefangenen in Rußland und Siberien, I. Aufl., Sorau, 1725, II. Aufl., Sorau. 1728.

Literatur

А.Ш. Шведская школа в Тобольске в царствование Петра Великого, «Тобольские губернские ведомости», 1857, № 30, с. 290–301; Пекарский П.П., Наука и литература в России при Петре Великом, т. 1, СПБ, 1862; Гинзбург Д., Начало просвещения в Сибири, «Журнал Министерства народного просвещения», № 9, 1905, с. 58–61; Черказьянова И.В. Школа пленных шведов в Тобольске: опыт культурных контактов в Германии и России // Немцы в России: российско-немецкий диалог. СПб., 2001. С. 155–168; Шебалдина Г.В. Шведские военнопленные в Сибири. Первая четверть XVIII века. М., 2005; Браун М. Личность // «Aus Sibirien–2011»: Научно-информационный сборник (к 75-летию А. В. Христеля). Тюмень, 2011. С. 46–47; Alethophilus (Eberhardt С), Der innere und aeusere Zustand derer Schwedischen Gefangenen in Russland, durch ihre eigene Brieffe, Francfurth-Leipzig, 1718; [Anonym]. Der allerneuste Staat von Siberien, Nürnberg, 1720, Glaubrесht O., Die sibirische Schule, Darmstadt, 1855; Winter E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jahrhundert, Berlin, 1953. * Брокгауз и Ефрон.

Autoren: Tscherkasjanowa I. W.

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