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VOGEL Artur Iwanowitsch (1877–1948), Arzt, Chirurg

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

VOGEL, Artur Iwanowitsch [9. Juni 1877, Derpt, das heutige Tartu, Estland – 16. August 1948, Omsk], Arzt, Chirurg. Wurde als fünftes Kind in der Familie eines Kaufmanns geboren. Nach dem Tod des Vaters (1880) wurde dessen Handelsbetrieb aufgelöst. Die Mutter unterhielt die Familie, indem sie mehrere Wohnungen im Haus der Familie vermietete. Bis zur Ausbildung in einem Gymnasium, erhielt er in deutscher Sprache seinen Schulunterricht. Ab der ersten Gymnasialklasse – in russischer Sprache. Nach Abschluss des Jurjewer (des früheren Dorpater) Gymnasiums (1896) nahm Vogel ein Studium an der medizinischen Fakultät der Universität Jurjew auf und schloss es im November 1901 mit dem Titel eines Arztes ab (das Diplom erhielt er Anfang 1902). Ab dem 3. Studienjahr verband er das Studium mit einer Tätigkeit in einer Geburtshilfe-Ambulanz und einer chirurgischen Klinik bei Professor W. G. Zoege von Manteuffel. Unter der Leitung des Chirurgen A. J. Bergmann war er ab dem 1. (14.) Januar 1902 als Assistent in der 1. chirurgischen Abteilung des 1. Stadtkrankenhauses von Riga tätig. Das war eine gut organisierte medizinische Einrichtung, die 1903 ihr 100jähriges Bestehen feierte. Bereits 1903 hat er erfolgreich eine Operation zum Vernähen einer Stichwunde am Herzen eines verletzten Mannes vorgenommen. In Riga war dies die erste derartige Operation und weltweit die 37. (von den aus der medizinischen Literatur bekannten). Der Fall ist von Vogel in der Zeitschrift „Zentralblatt für Chirurgie“ beschrieben worden. Bald wechselte er in die Gynäkologie- und Geburtshilfe-Abteilung des gleichen Krankenhauses.  

Im Oktober 1904, während des russisch-japanischen Krieges von 1904–1905, ging er als Arzt des Libau-Trupps des Roten Kreuzes an die Front und arbeitete ein Jahr lang als Leiter der chirurgischen Abteilung des Trupps in Harbin. Von Januar bis einschließlich Juli 1906 hielt er sich in Deutschland zur Weiterbildung auf. Dort nahm er am Deutschen Chirurgen-Kongress teil und arbeitete in den Berliner Kliniken von Bergmann, Hildebrand, Körte und Hoff sowie in den Freiburger Kliniken von Kraske, Krönig und Kylian. Nach der Eheschließung im September 1906 geht er nach Jenakijewo. Im Zeitraum vom September 1906 bis November 1908 leitete er die Chirurgie-Abteilung im Betriebskrankenhaus der Russisch-belgischen Metallurgie-Gesellschaft in Jenakijewo des Gouvernements Jekaterinoslaw.

Nach dem Umzug nach Omsk Ende 1908 war er der einzige Stadtarzt. Die übrigen Mediziner hatten eine Privatpraxis. Am 30. Dezember 1908 führte er seine erste Operation am neuen Ort durch. Ab Januar 1909 war er Chefarzt und Chirurg des Omsker Stadtkrankenhaus, der durch die Stadtduma im Rahmen einer Ausschreibung unter 125 Bewerbern für dieses Amt ausgewählt worden war. Zu dieser Zeit hatte das Krankenhaus 95 Bettenplätze, drei Abteilungen (eine Infektions-, eine allgemeinmedizinische und eine für Geschlechtskrankheiten). Im ersten Dienstjahr lagerte Vogel die Abteilung für Geschlechtskrankheiten in ein separates Gebäude aus und richtete an ihrer Stelle eine chirurgische mit 24 Bettenplätzen ein. 1909 führte er 388 Operationen in der chirurgischen Abteilung durch, wobei die kleinen ambulanten Eingriffe nicht mitgezählt sind. Im gleichen Jahr sind in dem Krankenhaus weitere zwei Ärzte eingestellt worden, K. I. Makawejskij und W. S. Lösewitz. 1914 sind in der Abteilung 464 Personen operiert worden, 1916 – 500 und 1917 – 590. Die Popularität der Klinik nahm rasant zu, Warteschlangen bildeten sich, um in die chirurgische Abteilung aufgenommen zu werden. Mitunter kam es vor, dass bis zu 30-40 Personen auf den Fußböden der chirurgischen Abteilung lagen. 1918 leistete man im Krankenhaus den Rotarmisten Hilfe, die in den Gefechten gegen Angehörige der Tschechoslowakischen Legion bei Marjanowka (Siedlung 50 Kilometer südlich von Omsk) verwundet worden waren. Im gleichen Jahr verstarb dort der Omsker Pastor Konstantin Koch (1871–1918). Insgesamt sind im Zeitraum 1909–1927 etwa 16.000 Operationen im Krankenhaus durchgeführt worden, von denen Vogel 10 785 geleitet hatte. 1910 wurde auf Initiative von Vogel das erste Röntgen-Kabinett in Omsk eingerichtet. Das Krankenhausgebäude wurde einer Generalinstandsetzung unterzogen, die Krankenzimmer erhielten große Fenster, für die Patienten wurden beheizbare Toilettenräume geschaffen, und es wurden ein separater Verbandsraum und ein gesonderter Raum für Sterilisationsarbeiten eingerichtet. 1911 war das gesamte Krankenhaus elektrifiziert worden, und bei ihm wurde die erste städtische Apotheke eröffnet. 1917 hatte die Entbindungsstation bereits 20 Bettenplätze. Vogel war Chefarzt des Stadtkrankenhauses bis 1923, bevor er nur Leiter der chirurgischen Abteilung wurde (arbeitete in dieser Funktion bis 1932). Bis 1927 bildete er 10 Schüler aus, von denen einige Chirurgen wurden.  

1915 organisierte er ein eigenes chirurgisches Krankenhaus, für das er von der Witwe des Doktors der Medizin A. P. Markowitin zwei Häuser in der Omsker Tobolskaja-Straße mit Einrichtungsgegenständen und einer Heilanstalt mit 12 Bettenplätzen erwarb. Nach Umbau der Räumlichkeiten gab es hier 30 Bettenplätze. Im Juni 1920 nahm die Sibirische Verwaltung für Gesundheitswesen Vogel’s Krankenhaus unter ihre Kontrolle und verlieh ihm den Namen „Chirurgisches Musterkrankenhaus bei der Sibirischen Verwaltung für Gesundheitswesen“, obgleich 10 Bettenplätze im Eigentum Vogels blieben. 1927 war dies eine kostenpflichtige Abteilung des chirurgischen Krankenhauses. Im Zuge der Organisierung des Omsker medizinischen Institutes wurde Vogel 1921 zum Leiter des Lehrstuhls für operative Chirurgie gewählt und nahm als Berater an der Organisation der Institutskliniken teil.  

1922 versuchte er, die estnische Staatsbürgerschaft zu erhalten. In Estland lebten seine Mutter und zwei Schwestern, wobei er nicht vorhatte, Russland zu verlassen. Im Sommer 1923 stellte er den Antrag auf Wiederausstellung der sowjetischen Staatsbürgerschaft. 1923 sind Vogel’s Häuser nationalisiert worden, seine Heilstätte wurde der Gouvernementsverwaltung für Gesundheitswesen, später der Stadtverwaltung für Gesundheitswesen unterstellt. Und 1930 ist sie dem Omsker Stadtkomitee der Russischen Rot-Kreuz-Gesellschaft (RRKG) übergeben worden. Gleichzeitig gab Vogel ab August 1926 in der physiotherapeutischen Heilanstalt der Gesundheitsabteilung der Omsker Eisenbahnverwaltung Konsultationen, und ab Januar 1934 – in der Gebietskommission für Heilbehandlungen. Teilnehmer des 17. Allunionschirurgenkongress in Leningrad (25.–31. Mai 1925). Vogel war Mitglied des Präsidiums des Stadtkomitees der RRKG (1934–1935), des Plenums des Gebietskomitees der RRKG (ab 1936); stellvertretender Vorsitzender der Chirurgensektion (1932) und stellvertretender Vorsitzender (1934) der Gesellschaft für sozialistisches Gesundheitswesen.

Vogel unterhielt Kontakte zur lutherischen Gemeinde von Omsk, obgleich er selbst praktisch keine Gottesdienste besuchte. Auf Bitten von Vertretern der Gemeinde wohnte 1925 einige Zeit der Generalsuperintendent des Moskauer Evangelisch-Lutherischen Konsistoriums Theophil Meyer mit Gattin in seiner Wohnung (Vogel wohnte beim Krankenhaus, in der Tobolskaja-Straße 7). 1926 hatten hier Pastoren, die durch das Konsistorium nach Sibirien entsandt worden waren, ein Dach über den Kopf bekommen, unter ihnen F. J. Merz. In der Zeit der Massenauswanderung von Deutschen nach Kanada Ende der 1920er Jahre genoss Vogel besonders große Popularität, da man für die Ausreise aus der UdSSR für alle Familienmitglieder ein Gesundheitszeugnis haben musste.  

Am 22. Oktober 1938 wurde er unter dem Vorwurf der Spionage zugunsten Deutschlands und Estlands festgenommen (Vogel war mit Deutschlands Konsul in Sibirien W. Großkopf, der 1925 Omsk besucht hatte, bekannt) und ins Omsker Gefängnis eingesperrt. Das Militärtribunal des Sibirischen Militärbezirks verurteilte Vogel auf einer auswärtigen Sitzung am 26. August 1935 zum Tode durch Erschießen. Am 5. Januar 1940 wurde der Fall durch einen Beschluss des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR aufgrund unzureichender Beweise eingestellt, und bald wurde er auch freigelassen.     

In den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges 1941–1945 unternahm Vogel große Anstrengungen zur Rettung Verwundeter und wurde mit der Medaille „Für heldenhafte Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg“ gewürdigt. In den letzten Lebensjahren leitete er die chirurgische Abteilung des Krankenhauses im Lenin-Stadtbezirk von Omsk.

Verheiratet war er zweimal: ab 1906, wurde im Mai 1912 Witwer (seine erste Frau verstarb in Riga, wohin sie Vogel zwecks Heilbehandlung gebracht hatte). 1920 heiratete er die Operationsschwester Valeria Pawlowna, ließ sich 1931 von ihr scheiden. Aus der zweiten Ehe hatte er die Tochter Erika (13. Juli 1920 – ?). Nach der Scheidung zog V. P. Vogel mit der Tochter nach Feodossija, in ein von Vogel für sie erworbenes Haus.

Die Mutter verstarb 1937 im Alter von 91 Jahren. Er hatte einen Bruder, der 7 Jahre älter war, zwei ältere und zwei jüngere Schwestern. 1938 wohnten die beiden Schwestern Wanda und Ellen in Tartu, in der Melnitschnaja- (Mühlen-) Straße. Die jüngere Schwester Erna – in Berlin.  Gegenwärtig lebt eine Enkelin Vogels in Omsk. 

INHALT

Archive

Архив Управления федеральной службы безопасности Омской области. Д. П–7150.

Literatur

Д-р Либготт. 25 лет врачебной деятельности А. И. Фогеля // Рабочий путь. 1927. 17 марта; он же. По поводу 25-летия врачебной, научной и общественной деятельности // Омский медицинский журнал. 1927. № 5–6; Проф. Рабинович. 35-летний юбилей хирурга А. И. Фогеля // Омская правда. 1937. 11 июня; [Некролог] // там же. 1948. 18 сентября; Черказьянова И.В. А.И. Фогель – основоположник хирургического дела в Омске // Немцы. Россия. Сибирь. Омск, 1997.

Autoren: Tscherkasjanowa I. W.

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