ÜBERSIEDLERPRIVILEGIEN, den deutschen Kolonisten, Unternehmern und anderen Personenkreisen gewährte Sonderrechte.
Bei der Ansiedlung von Ausländern verfügten vor allem Preußen und die Habsburgermonarchie über große Erfahrung. In den ökonomischen Lehren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts galt die Vergrößerung der Bevölkerungszahl als „Hauptgrundsatz der Staatswissenschaften“ (Joseph von Sonnenfels). „Fremdländische wohlhabende Personen“ brachten nicht nur Besitz mit, sondern belebten auch den gesamten Wirtschaftskreislauf. Nach diesen Grundsätzen sollten Einwanderer über einen langen Zeitraum von Steuern und Abgaben befreit und mit Baumaterial, Werkzeugen und Krediten ausgestattet werden.
Das Russische Reich verfügte in seinen Randgebieten über ausgedehnte dünnbesiedelte Territorien, in die sich kaum Ausländer werben ließen, ohne diesen Vergünstigungen und Privilegien in Aussicht zu stellen. Schon bald nach ihrer Thronbesteigung griff Katharina II. auf einen Plan der Zarin Jelisaweta Petrowna (Elisabeth I.) zurück, nach preußischem Vorbild Hugenotten nach Russland einzuladen, dessen Umsetzung durch den Siebenjährigen Krieg (1756-63) verhindert worden war. Da ihr erstes, am 4. Dezember 1762 verkündetes Manifest kaum Resonanz fand und auch andere Länder um ansiedlungswillige Kolonisten konkurrierten, beschloss Katharina II., auch eine Auflistung der den ausländischen Übersiedlern zu gewährenden Vergünstigungen und Privilegien zu veröffentlichen. So versprach sie den Kolonisten in ihrem am 22. Juli 1763 verkündeten zweiten Manifest neben der Übernahme der Fahrtkosten und dem Recht, sich an jedem beliebigen Ort des Russischen Reichs niederzulassen, auch zahlreiche weitere Privilegien:
Glaubensfreiheit sowie das Recht, Kirchen und Schulen zu errichten und Geistliche anzustellen (die Gründung von Klöstern war allerdings wie auch die Missionsarbeit verboten).
Befreiung von allen Steuern, Dienstpflichten und Quartierdiensten für dreißig, zehn oder fünf Jahre, je nach dem, ob man sich in den unbesiedelten Territorien, in den Städten oder in Moskau, Petersburg und im Baltikum niederließ.
Zinsfreie Kredite für die Errichtung von Häusern und Wirtschaftsbauten, den Ankauf von Vieh, Werkzeug und Saatgut sowie den Bau von Fabriken und den Ankauf von Rohstoffen, die innerhalb einer Frist von zehn Jahren zurückgezahlt werden mussten (in gleichen Teilen alle drei Jahre).
Eine eigene innere Jurisdiktion bzw. örtliche Selbstverwaltung.
Befreiung vom Militärdienst „für die gesamte Dauer des Aufenthalts“.
Unbegrenzte Einfuhr von Waren für den Eigenbedarf und bis zu einer Summe von 300 Rubeln für den Verkauf. Wer in einer neu gegründeten Manufaktur oder Fabrik Waren produzierte, die es zuvor in Russland nicht gegeben hatte, durfte diese innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren steuer- und abgabenfrei im In- und Ausland verkaufen.
Die Organisation des Ansiedlungsprozesses sowie den Schutz der Einwanderer gegen Übergriffe der allgemeinen Verwaltung übertrug Katharina II. der in St. Petersburg gegründeten Vormundschaftskanzlei für Ausländer (1763-82), die bis in die 1770er Jahre der Zarin und später dem Senat unterstellt war. Als deren Außenstelle vor Ort fungierte das Fürsorgekontor in Saratow (1766-82). Beide Ämter wurden im Zuge der 1775 eingeleiteten Verwaltungsreform durch Erlass Katharinas II. vom 20. April 1782 abgeschafft, woraufhin die Verwaltung der Kolonien der Staatskammer des Gouvernements Saratow übertragen wurde.
Abgesehen von den genannten Vorrechten hielt das Manifest auch ausdrücklich die Möglichkeit offen, weitere Privilegien zu erhalten, was insbesondere die Mennoniten nutzten, deren mit Fürst G.A. Potjomkin ausgehandelte Bedingungen am 6. September 1800 von Zar Pawel I. schriftlich bestätigt wurden. So erhielten die Mennoniten jeweils 65 Desjatinen Land pro Familie, was deutlich über den 30 bzw. 60 Desjatinen lag, die den an der Wolga bzw. in Neurussland angesiedelten Deutschen zugeteilt wurden. Darüber hinaus handelten sie das Recht auf die Produktion von Bier, Essig und Wodka sowie das Monopol für den Alkoholausschank und die Genehmigung zum Betreiben von Schenken und Gasthäusern auf ihrem Territorium aus. Vor allem aber wurden ihre Steuern für alle Zeiten auf 15 Kopeken begrenzt, während die von den übrigen Bauern zu tragende Steuerlast allmählich stieg (1868 zahlten die Mennoniten durchschnittlich nur ein Fünftel der von den anderen deutschen Kolonisten zu entrichtenden Steuern).
Pawel I. gewährte den in Neurussland angesiedelten Deutschen zudem eine Steuerbefreiung für 5-10 Jahre. Die ursprünglich für die Rückzahlung der den Siedlern gewährten Kredite vorgesehenen Dreijahresintervalle wurden durch alljährlich zu entrichtende Zahlungen ersetzt. Pawel I. richtete zudem in Form der in St. Petersburg ansässigen Expedition für Staatswirtschaft, Ausländerfürsorge und bäuerliche Hofwirtschaft (1797–1803) sowie der Fürsorgekontore in Saratow (1797-1871) und Jekaterinoslaw (1800-18) die eigens für die ausländischen Siedler zuständigen zentralen und regionalen Ämter wieder ein. Alexander I. wiederum versuchte, für die Einwanderungswilligen strengere Auswahlkriterien einzuführen, und legte am 20. Februar 1804 per Erlass fest, dass nur „gute und wohlhabende Landwirte“ sowie dörfliche Handwerker, die Geld oder Waren im Wert von 100 Gulden einführten, auf Staatsland angesiedelt werden sollten. Nach einer zehnjährigen Steuerbefreiung sollten sie die bei der Übersiedlung angefallenen Kosten innerhalb der folgenden zehn Jahre abbezahlen. Am 1. März 1804 gewährte der Zar den Kolonisten das Recht, Land ohne Bauern zu erwerben.
Vor dem Hintergrund der durch die Kontinentalsperre Napoleons I. ausgelösten Krise der russischen Staatsfinanzen wurden von 1810 an keine Kredite an ausländische Kolonisten mehr vergeben. Am 25. Oktober 1819 erhielten die russischen diplomatischen Vertretungen die Anweisung, keine Einreisepässe mehr auszustellen.
Nach der Masseneinwanderung von 1803-17 wurde die Verwaltung der Kolonien und die Vertretung ihrer Interessen in die Hände des Fürsorgekomitees der Kolonisten Südrusslands gelegt (1819-71), das sich ursprünglich in Jekaterinoslaw, von 1821 an in Kischinjow und von 1833 an in Odessa befand. Diesem wiederum waren die aufgrund der „Verordnung über die Hauptverwaltung der Kolonisten der Region Süd“ vom 22. März 1818 gegründeten regionalen Kontore für Ausländische Siedler in Jekaterinoslaw, Odessa und Bessarabien unterstellt (die 1833 infolge des versiegenden Einwandererstroms und der Festigung der ökonomischen Lage der Kolonisten wieder abgeschafft wurden). 1857 bestätigte die Regierung noch einmal die den Kolonisten gewährten Privilegien und fasste alle früheren die Kolonien betreffenden Erlasse im Statut der Kolonien zusammen. Im Zuge der in den 1860er und 1870er Jahren von Alexander II. vollzogenen Großen Reformen, die auch eine Reform der örtlichen Selbstverwaltung sowie eine Militärreform umfassten, wurden die Kolonisten-Privilegien abgeschafft. Per Gesetz vom 4. (16.) Juni 1871 wurden die Kolonisten in „Siedler-Eigentümer“ umbenannt und der allgemeinen Verwaltung unterstellt. Von dieser Zeit an musste die Aktenführung in den Amtsbezirken der früheren Kolonisten in russischer Sprache erfolgen. Vom 1. Januar 1874 an wurde auch die allgemeine Wehrpflicht auf sie ausgeweitet. Als die Auswanderung der Mennoniten nach Nordamerika immer größere Ausmaße annahm, gewährte die Regierung dieser Gruppe am 8. April 1875 das Recht auf einen alternativen Dienst in gesonderten Waldarbeitseinheiten (siehe: „Forstdienst“), den die Mennoniten selbst organisierten.
Die Enzyklopädie wurde auf die Initiative der öffentlichen Organisation „Föderale nationale Kulturautonomie der Russlanddeutschen“ (FNKA RD) unter aktiver Beteiligung der Internationalen Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen erstellt. Das Projekt wurde von den Regierungen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Während der Projektdurchführung wurden Geldmittel verwendet, welche gemäß den Anordnungen des Präsidenten der Russischen Föderation und auf der Grundlage von durchgeführten Wettbewerben der „Nationalen Wohltätigkeitsstiftung“, den allrussischen öffentlichen Organisationen die „Gesellschaft „Wissen“, die „Russische Union der Rektoren“ u.a., in den Jahren 2015–2017 als Zuschüsse zugewiesen wurden.
1 27.03.2025
Tolles Diktat
„Tolles Diktat - 2025“: Wir fassen die Ergebnisse zusammen!Die Offene gesamtrussische Aktion „Tolles Diktat“, die traditionell an den Internationalen Tag der Muttersprache der UNESCO angeknüpft wird, ist zu Ende gekommen. In diesem Jahr fand die Aktion bereits zum 13. Mal statt. Wir berichten darüber, wie das Diktat in der deutschen Sprache in Moskau und den Regionen geschrieben wurde!
1 29.01.2025
Tolles Diktat
"Sprechen Sie Deutsch": Expertentipps in einer neuen Rubrik in der VKontakte-GruppeIm Rahmen der Tolles-Diktat-Aktion unterwirft das soziale Netzwerk des Projekts in diesem Jahr die neue Rubrik "Deutsch sprechen", in der Deutschlehrer, Wettbewerbssieger und Sprachexperten ihre Tipps zum Erlernen von Deutsch und zum Schreiben eines Diktats teilen.
1 28.01.2025
BiZ
Das Institut für ethnokulturelle Bildung BiZ lädt zu einem Webinar für Führungskräfte von ethnokulturellen Clubs einAm 1. Februar um 9:00 Uhr Moskauer Zeit findet ein Webinar zum Thema «Allgemeine Übersicht über Ressourcen mit ethnokultureller Komponente» statt.
1 27.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
Die Arbeit der Sprachvereine in Kaliningrad hat begonnenIm Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad und in den Begegnungszentren der RD des Kaliningrader Gebiets haben die ethnokulturellen Klubs für Erwachsene und Kinder sowie die Klubs der Deutschkenner ihre Arbeit wieder aufgenommen.
1 23.01.2025
Anmeldestart für "Tolles Diktat-2025"!Die Registrierung für die Teilnahme an der allrussischen offenen Aktion "Tolles Diktat-2025" wurde eröffnet, die vom 17. bis 28. Februar in Online- und Offline-Formaten stattfindet. Zur Teilnahme sind Schüler, Lehrer und Studenten russischer und ausländischer Universitäten sowie alle, die Deutsch lernen und ihre Kenntnisse testen möchten, eingeladen. Im Rahmen der Aktion werden Texte verschiedener Schwierigkeitsgrade zum Schreiben angeboten.
1 23.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
Jugendarbeit in der Region Omsk: Die Verflechtung von Traditionen und innovativen AnsätzenDie Jugendarbeit der Russlanddeutschen in der Region Omsk verbindet die Erhaltung von Traditionen mit neuen, modernen Formaten. Im Jahr 2024 fanden mehr als 60 Veranstaltungen statt, die mehr als 1000 Teilnehmer zusammenbrachten. Wie Jugendclubs die Kultur an moderne Anforderungen anpassen, wurde in dem Artikel beschrieben.
1 21.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
Sozialhilfe für RusslanddeutscheIm letzten Jahr wurde vom Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad die medikamentöse und Sozialhilfe für die Russlanddeutschen geleistet.
1 14.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
In Kaliningrad fand das Sozialprojekt zur Kurbehandlung der genesungsbedürftigen Russlanddeutschen statt.Das Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad organisiert jährlich für ältere Russlanddeutschen eine Kurbehandlung in einem der Sanatorien des Gebiets Kaliningrad.
1 08.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
„Weihnachtsreise“ auf der „Wolgastimme“Auf dem Radiosender „Wolgastimme“ wurde im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage eine Audioversion des Buches „Weihnachtsreise“ aufgenommen und gesendet. Das Buch wurde von Alexander Kirsanow, einem Mitarbeiter des Heimatmuseums der Stadt Marx, geschrieben.
1 06.01.2025
Nachrichten aus den Regionen
Das Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad half älteren MenschenIm Dezember 2024 leistete das Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad bedürftigen Russlanddeutschen soziale und medizinische Hilfe.